Guter Biofilm - böser Biofilm

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Karli
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Guter Biofilm - böser Biofilm

Beitrag von Karli » Di 5. Jul 2022, 12:55

Hallo zusammen,

wenn man Gewässer längere Zeit stehen lässt, wie z.B. Brunnen, Zisternen, IBC-Containern, Gießkannen... und auch langfristig in Boilern, Filtern, Schläuchen und Rohrleitungen bildet sich ja bekanntlich mit der Zeit ein Biofilm. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das eine relativ schmierige Schicht, in der viele gute und vermutlich auch schlechte Bakterien und sonstiges Kleinstvieh lebt.

In manchen Foren, besonders wenn es um Pooltechnik geht, muss der böse Biofilm immer weg. Der wäre aber so hartnäckig, dass Chloren alleine nicht mehr ausreichen würde. Da müsste man schon härtere Sachen nehmen oder halt mechanisch reinigen. Habe auch schon mal gelesen, dass selbst ein abgestorbener Biofilm eine hervorragende Grundlage für neue Bakterien darstellen würde.

Andererseits ließt man in anderen Foren, unter anderem auch hier, dass ein Biofilm positiv für die Wasserhygiene sei. In der Natur würde der Biofilm für die natürliche Klärung der Gewässer sorgen. Ich meine auch mal gelesen zu haben, dass in Kläranlagen spezielle Bakterien in einigen Teilen der Anlage zur Klärung beitragen würden.
Gestern war ich noch im Meerfelder Maar in der Eifel schwimmen. Ich glaube, wenn das Wasser der ersten 10m in einem Pool wäre, würde dort niemand freiwillig hinein gehen wollen. Das Wasser ist in den ersten 5-10m eher grün als blau und die Sicht unter Wasser beträgt vor lauter Schwebstoffen vielleicht 1m. Das Wasser hat dort auch Temperaturen, in denen sich eigentlich auch Salmonellen und Legionellen wohl fühlen könnten. Ich will auch nicht wissen, wer beim Baden alles ins Wasser uriniert. Von den Fischen, die gar nicht anders können und Vögeln mal ganz abgesehen. Die Holztreppe ist so glitschig, dass zeitweise ein Warnschild montiert wird. Genau so wie dieses glitschige Schicht stelle ich mir den "perfekten" Biofilm vor. In der Natur scheint es aber irgendwie nicht schädlich zu sein.

Gibt es hier jemanden, der mir erklären kann, unter welchen Umständen ein "guter" oder "böser" Biofilm entstehen kann, wie man diese unterscheiden kann und was man gegebenenfalls gegen "böse" Biofilme tun kann?

Danke
und
viele Grüße
Karli

andreas kr
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Re: Guter Biofilm - böser Biofilm

Beitrag von andreas kr » Di 5. Jul 2022, 14:24

Hallo Karli,

keine Ahnung ob es tatsächlich böse und gute Biofilme gibt (vielleicht im PayTV 😉), als langjähriger Poolbetreiber kann ich Dir aber sagen, dass ein jeder Biofilm im Pool in der Regel unerwünscht ist.

1. Der Biofilm fördert im Pool den Algenwuchs, Algen wollen die wenigsten Poolbesitzer haben.

2. Ein nicht rechtzeitig bekämpfter Biofilm vermindert durch eine art Bioschleimtrichter die Leistung der Sandfilteranlage. Dies führt dazu, dass einerseits bereits gebundener Dreck seinen Weg durch den Filtersand findet und andererseits das Poolwasser durch den Trichter am Sand „vorbei“ gedrückt wird, also kaum noch gefiltert wird. Rückspülen bringt da oft auch nichts mehr - der Sand muss getauscht werden.

Viele Grüße

Andreas

PeterB
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Re: Guter Biofilm - böser Biofilm

Beitrag von PeterB » Di 5. Jul 2022, 17:25

andreas kr hat geschrieben:
Di 5. Jul 2022, 14:24
keine Ahnung ob es tatsächlich böse und gute Biofilme gibt
Gute z.B. in einer Regenwasserzisterne. Da sind sie erwünscht.

Was sich da an schwarzem "Schleim" an der Wand und am Boden entwickelt ist maßgeblich daran beteiligt, das Wasser sauber zu halten.

Einer der Versuche die gemacht wurden um die Hygieneverhältnisse in einer Zisterne zu testen:

- Keimzahl in Wasser messen bei einer vollen, seit Jahren ungereinigten Zisterne
- Wasser ablassen, Zisterne reinigen und warten, bis sich die Zisterne wieder gefüllt hat.

Die Keimbelastung war jetzt wesentlich höher als vorher in der "ungereinigten" Zisterne.

Ähnliches funktioniert auch in einer biologischen Reinigungsstufe in einem Klärwerk

Gruß
Peter

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Karli
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Re: Guter Biofilm - böser Biofilm

Beitrag von Karli » Di 5. Jul 2022, 22:59

Vielen Dank Andreas. Dass die Poolfilter durch den Schleim quasi umgangen werden, hatte ich bisher gar nicht auf dem Schirm. Aber jetzt, wo du es schreibst, ist es mir völlig klar.
Algen im Pool will man natürlich nicht. Aber schädlich sind sie ja eigentlich nicht oder?

Auch dir vielen Dank lieber Peter.
Ich gehe mal davon aus, dass du genau diesen Versuch schon mindestens einmal gemacht hast mit genau dem von dir geschriebenen Ergebnis. Also sei das jetzt mal Fakt.
Aber so richtig verstehe ich das immer noch nicht.
Bilden sich in dem Schlamm durch das Milieu (Dunkelheit + sauerstoffreiches Wasser + Nährstoffe) andere (harmlose) Bakterien, die die schädlichen Bakterien auffressen oder verdrängen? Oder verändern die Bakterien im Schleim das Milieu im sauberen Zisternenwasser so, dass die "bösen" Krankheitserreger dort nicht leben wollen? Irgendwelche Ausscheidungen oder Düfte oder so z.B.
Oder oder sind die bösen Bakterien einfach nur solche, die sich langsamer vermehren und die sich schnell vermehrenden "guten" Bakterien fressen den bösen einfach die Nährstoffe vor der Nase weg, so dass letztere in dem Gewässer nie so richtig Fuß fassen können? Nehmen wir an, einige Bakterien würden sich alle 20 Minuten vermehren und andere alle 40 Minuten und beide würden mit EINER Bakterie starten, dann wären von der ersten Sorte nach 200 Minuten bereits 1024 Bakterien vorhanden, von der zweiten Sorte erst 32. Nach weiteren 200 Minuten wären von der ersten über 1 Million Bakterien vorhanden, von der zweiten 1024. Nach weiteren 200 Minuten von der ersten Sorte über eine Milliarde, von der zweiten Sorte erst 32000 usw. Irgendwann geht wegen Nährstoffmangel die Vermehrung vom Exponentiellen ins logistische über. Das gelte dann aber auch für die Bakterien der zweiten Sorte, nur für letztere auf sehr viel niedrigerem Niveau.

Andererseits: Nehmen wir an, man würde den Biofilm stören, dann wären davon die bösen Bakterien genauso betroffen, wie die Guten. Es sei denn, die bösen könnten bei Nährstoffmangel in einen Winterschlaf gehen, während die guten das nicht könnten. Dann würden von den Milliarden guten nur sehr wenige überleben, während von den 32000 Bösen (aus obiger Rechnung nach 10 Stunden) vielleicht die Hälfte überleben würden. Jetzt könnten die bösen bei frischer Nährstoffzufuhr gleich voll durchstarten. Trotzdem sollten die guten durch die kürzere Vermehrungszeit langfristig wieder die Oberhand gewinnen.

Nehmen wir an, letzteres wäre der Fall: Wie wäre es denn, wenn man das Zisternenwasser z.B. mit einem Poolfilter mit Filterbällen oder AFM Filterglas so sauber filtern würde, dass weder die bösen, noch die guten Bakterien genügend Nährstoffe finden. Dann würden beide Populationen sehr früh in die logistische Kurve übergehen. Dann hätte man von beiden Sorten nur sehr wenige Bakterien im Gewässer.

Habe übrigens eine Mail an unsere Verbandsgemeinde-Verwaltung geschickt und gefragt, ob es so etwas wie Tage der offenen Tür für Wasserwerke und Kläranlagen gibt oder vielleicht eine geführte Besichtigung. Mal gespannt, was die antworten.

andreas kr
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Re: Guter Biofilm - böser Biofilm

Beitrag von andreas kr » Di 5. Jul 2022, 23:19

Hi Karli,

Ich glaube Du musst Dich von der Unterteilung böse/gut verabschieden und eher in Richtung erwünscht/unerwünscht umdenken.

Da wo „bio“ gebraucht wird (z.B. zersetzen von organischen Stoffen im Klärwerk) da ist es „gut“ das „bio“ da ist. Das bedeutet aber nicht, dass Dein Verdauungstrakt ebenfalls positiv auf die gleiche Suppe reagiert. Gut fürs Klärwerk schließt böse für den eigenen Körper nicht aus.
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